Best of... November 2005

Niemandem brauche ich sagen, dass es schwer fällt, etwas Gutes über den Monat zu schreiben, in dem Eddie Guerrero starb. Ebenso schwer fällt es, etwas Schlechtes zu schreiben – denn verglichen mit genanntem Ereignis ist jedes Match, jede miese Fehde und jedes peinliche Segment nur eine Lappalie. Trotzdem möchte ich Eddie’s Tod weitestgehend aus dem Best of November ausklammern und den Versuch starten, den schwärzesten Monat seit Mai 1999 auf eine nüchterne Art und Weise zu kommentieren und die besten und schlechtesten Matches, Männer und Momente zu präsentieren.

Nachdem man im September seit langer Zeit mit einem Big-PPV mal wieder auf ganzer Strecke versagte, waren viele Fans gespannt, was man bei WWE mit den Survivor Series anstellen würde. Es galt, den Summerslam als Ausrutscher zu präsentieren. Doch schaffte man das? Außerdem stand die zweite Auflage des interaktiven Dienstags-PPVs Taboo Tuesday auf dem Programm. Viele neue interessante Auswahlmöglichkeiten für das Publikum wurden präsentiert, doch reichte es, den PPV von einer Call-In-Show mit Wrestlinghintergrund abzuheben? Die Antworten auf die Fragen und weitere High- und Lowlights lest ihr im Best of November 2005:

Beste Storylines und Fehden
1. HHH v Flair
2. Smackdown v Raw
3. Angle v Cena

Die Evolution war wohl das Stable der Neuzeit. Es wird wohl eines der wenigen Stables sein, von dem man neben der dX, der nWo und vielleicht ein paar anderen noch in vielen Jahren sprechen wird. Wie bei jedem Stable kam aber auch bei der Evolution irgendwann der Moment, in dem man sich splitten musste – was immer eine wunderbare Vorlage für spannende Fehden liefert. Bei diesem Stable machte man es allerdings etwas anders als bei anderen in der Vergangenheit. Man ließ die Evolution nicht in zwei ebenbürtige Teile zerfallen, die gegeneinander antraten oder sonderte einfach nur einen Mann aus, der dann fehdete. Nein, man entließ ganz in Ruhe einen nach dem anderen aus der Gruppierung, was im Nachhinein im Gesamten zu einer meiner Lieblings-Storys des vergangenen Jahres gehört. Erst Orton, dann Batista und letzten Endes war alles für den endgültigen Showdown an der Spitze der Evolution gegeben. Ric Flair gegen Triple H konnte beginnen. Und obwohl man wusste, dass das Comeback von the Game zwangsläufig mit dem Beginn der Fehde verbunden war und der Turn somit keine große Überraschung darstellte, begann damit etwas Großes. Etwas Großes, dass seit ca. 2 Monaten das Geschehen bestimmt. Das Schönste an der Konfrontation der beiden ist, dass sich zwei nahezu ebenbürtige Gegner gegenüberstehen, die auch genauso dargestellt werden. Zwei Männer, die eigentlich eine Position innehaben, in der sie jüngere Talente pushen sollten, stehen nun einer gleichwertigen Ikone gegenüber und das Ende ist vollkommen offen. Jedes Match, jedes Segment ist offen in seinem Ausgang. Triple H wird nicht zu schwach dargestellt, Flair nicht zu stark. Sie bleiben beide bei ihren Gimmicks – Flair als „dirtiest player in the game“ und Triple H als skrupelloser Einzelkämpfer. Der Aufbau des Ganzen bis hin zum Match bei der Survivor Series haben mich komplett begeistert und die Tatsache, dass es nun 1 zu 1 steht, lässt mich auf einen gewaltigen Showdown hoffen.
Was diese Fehde neben guter Unterhaltung aber auf alle Fälle bewiesen hat, ist die Rechtfertigung der Stati der beiden Kontrahenten.

Flair gegen HHH war unausweichlich – das stand wohl mit der Gründung der Evolution fest. Selbiges gilt aber auch für den Rostersplit. Von vornherein war klar, dass uns früher oder später eine Fehde beider Brands gegeneinander ins Haus steht. Spätestens dann, wenn man planlos da steht und nicht weiß, was man anderes machen soll. Den Eindruck, in genau dieser Situation zu sein, vermittelt uns WWE zu genüge und bewies es endgültig mit dem Summerslam. RAW war nach der Lottery irgendwie nicht mehr wirklich RAW und Smackdown war auch nicht mehr das Smackdown was man kannte. Alles wirkte etwas hilflos, was nach WresteMania kam. So sah man anscheinend keinen anderen Ausweg, als eben diesen Joker zu ziehen, der für besagten Notfall gedacht war. Smackdown v. RAW war geboren und startete bei RAW Homecoming, als Bischoff die SD-Stars verspottete und ihnen den Saft abdrehte. Es folgten unzählige Eingriffe des einen Brands in die Shows des anderen Brands – Show-Patriotismus der ersten Güte und erste Matches, wie beispielsweise bei Taboo Tuesday. Das vorläufige Finale sollte dann letzten Endes bei den Survivor Series stattfinden. Zum einen, indem die Chefs aufeinander trafen, aber auch zwei Teams der Topstars.
Alles in Allem war es eine passable Fehde, die – das muss man ihr einfach lassen – über ein riesiges Loch hinweg geholfen hat. Viele Stars konnten eingebunden werden, denen sonst mit Sicherheit weitaus weniger Aufmerksamkeit geschenkt worden wäre. Viele Drafts wurden endgültig in ihre neue Show etabliert. Während ein Big Show und ein Carlito für mich immer Smackdown-Stars waren, zählen sie nun einfach zu RAW.
Und doch, auch wenn sie hier an zweiter Stelle steht, schöpfte die Umsetzung der Fehde nicht im Ansatz das eigentliche Potential einer solchen Geschichte aus. WWE hat ihren Joker zwar gespielt, der Spielzug im Gesamten hat von seiner Qualität her in meinen Augen aber nicht geschafft, wofür der Joker prädestiniert gewesen wäre – nämlich die Krise zu beenden.

Schon viele Monate läuft nun die Fehde zwischen Kurt Angle und John Cena. Auszeichnung genug sollte alleine die Tatsache sein, dass die Fehde bis heute interessant war – jedenfalls empfand ich es so. John Cena war der neue Champ in der Stadt und was neue, junge, aufstrebende Stars nun mal brauchen, sind etablierte und starke Gegner. Triple H stand nicht bereit und Kurt Angle bot die perfekte Alternative. Sollte die Fehde doch ursprünglich zu Cenas Aufbau dienen, hatte sie aber einen ganz anderen Effekt. Einen Effekt, den ich persönlich viel besser finde: Sie machte aus Angle wieder ein Monster. Sie machte aus Angle das, was er bei Smackdown immer sein wollte, was dort aber nie so wirklich funktionierte – die Nummer 1! Und das auch ohne Titel. Man pimpte Angles Gimmick in eine Richtung, die ihn stark wie selten erschienen ließ und vernachlässigte Cena dabei total. Dadurch begründen sich mit Sicherheit auch die aktuellen Fanreaktionen. Wenn man das Ganze also mal im IST/SOLL-Vergleich betrachtet, hat diese Storyline auf ganzer Linie versagt. Cena ist alles andere als gefestigt, im Gegenteil, ein großer Teil des Publikums ist von ihm genervt und buht ihn aus. Angle, der neue Monsterheel wird gefeiert – durch die ewigen Niederlagen in seiner Stärke allerdings wieder gedrückt. Und obwohl die Story somit nicht im Ansatz erreicht hat, was sie erreichen sollte, fand ich sie toll. Angles Gimmick, wenn wir von den unsinnigen Niederlagen absehen, macht einfach Spaß wie nie. Das „You Suck“ ist lauter wie nie, gleiches gilt aber auch für die „Let’s go Angle!“ Rufe. Auf der anderen Seite gibt es die Cena-Fans, die Angle weiterhin ausbuhen und ihren Star anfeuern. Von der Stimmung her war das Series-Match der beiden eines der besten der letzten Monate!

Vieles hat man mit dieser Storyline absolut richtig gemacht und was einfach zählt ist, dass sie unterhält und zumindest mich hat sie unterhalten. Lediglich die Tatsache das John Cena tatsächlich immer noch Champ ist lässt mich daran zweifeln, ob McMahon sich mit seiner neuen Drug Policy nicht vielleicht selber mal als Präzedenzfall vorstellen sollte.

Schlechteste Storylines und Fehden
1. Ross / Austin / Coach / Batista
2. Booker v Benoit
3. Rob Conway v Eugene

Wirklich viel Crap gab es in den letzten Wochen eigentlich nicht und das obwohl an vielen Ecken von einer Kreativitäts-Krise die Rede ist. Was es aber zu genüge gab, waren Belanglosigkeiten. Zu diesen Belanglosigkeiten möchte ich aber erst später kommen, denn wenn ich sage, es gab „nicht viel Crap“, dann heißt das nicht, dass es gar keinen Crap gab. CRAP – das ist nicht nur Englisch für „Scheiße“, sondern gilt in meinen Augen in den letzten Wochen auch als Abkürzung für eine Storyline: Coachman Ross Austin und, ääh, Patista. Naja, wär ja auch zu schön gewesen, wenn’s gepasst hätte...
Jedenfalls hat man mit dieser Geschichte ausnahmsweise (*hust*) mal alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte. Hier der Versuch, das Ganze innerhalb eines lyrischen Ausfluges rüberzubringen und zu belegen:

Zehn Wege, wie man eine Wrestling-Story in den Sand setzt“ von Ben:
1. Man nehme einen beliebten Kommentator und entlässt ihn unter einem nicht nachvollziehbaren Vorsatz.
2. Man hat sofort einen Ersatz für ihn in der Tasche, der ihn von seiner Leistung und seiner Beliebtheit locker links liegen lässt.
3. Man zerstört das Ansehen des letzten konstant glaubwürdigen Charakters an der Spitze des Unternehmens...
4. ...und erwähnt oder begründet dieses im Anschluss nicht im Ansatz.
5. Man setzt ein PPV-Match mit einem der wohl größten Namen des Business an – und bleibt dieses dem Publikum schuldig.
6. Man ersetzt den Topstar warlos durch einen anderen, der mit der Geschichte so viel zu tun hat wie der 1. FC St. Pauli mit der Bundesliga (für nicht-Fußballkenner: das bedeutet „nichts“).
7. Man würzt die Storyline durch das Comeback zweier Stars, die weder mit den Kontrahenten, noch mit irgendeinem anderen an der Fehde Beteiligten etwas zu tun haben...
8. ...lässt sie beim PPV auftreten und erwähnt sie danach mit keinem Wort mehr.
9. Man ignoriert die ursprüngliche Matchklausel und straft die ursprüngliche Storyline um den entlassenen Kommentator mit schlichter Nichtbeachtung.
10. Man strahlt den ganzen Scheiß tatsächlich aus.

Womit wir bei den Belanglosigkeiten wären. Chris Benoit ist einer der großartigsten Männer im Wrestlingbusiness und hält den U.S. Championtitel. Angeheizt durch Ken Kennedy startet er eine Fehde um diesen Titel mit seinem Kumpel Booker T. Da gibt es das erste Problem: Seit wann waren Benoit und Booker Kumpel?? Naja, hab ich vielleicht nicht mitbekommen. Die Frau an Booker’s Seite, die nebenbei bemerkt der schrecklichste Sidekick seit Dink, Pink und Wink ist, sorgt dann für den unfairen Titelwechsel und einen Heelturn von Booker T. Ein Heelturn, den ich mir zwar gewünscht hatte – aber irgendwie in anderer Form. So irgendwie „interessant“ halt. Nun denn – man lässt die beiden also ab und an gegeneinander antreten, immer verliert der gute Benoit gegen den bööösen Booker wegen der schrecklichen Sharmell und plötzlich kommt es in einem weiteren Titelmatch zu einem Doppelcover! Denn, wie im modernen Wrestling üblich, waren zwei Referees im Ring und sahen unglücklicher Weise nur die jeweiligen Schultern eines Wrestlers. So musste es kommen, dass der Titel für vakant erklärt wird. Teddy Long traf daraufhin die einzig vernünftige Entscheidung, indem er sagte (frei übersetzt): „Ich weiß, dass ihr Benoit als Champ in bedeutenden Storylines sehen wollt und diese ganze Booker-T-Sache unheimlich ätzend findet. Naja, und eigentlich würdet ihr gerne wollen, dass der ganze Spuk bald vorbei ist, aber nein! Wir machen das ganze noch mal. Noch sieben Mal. Und dann werdet ihr sehen, dass ihr von vornherein recht hatten, Playas!“.
Die Farce hinter dieser ganzen Geschichte ist aber noch eine ganz andere: Chris Benoits Vertrag läuft in wenigen Wochen aus. Und DAS soll ihn umstimmen und dazu bewegen, zu bleiben!? Genauso gut hätte man ihm anbieten können, ihn ganz groß als Team mit Funaki aufbauen zu wollen oder Head-Kommentator von RAW zu werden...

Und noch mehr Belanglosigkeiten. Rob Conway wirkt zwar wie eine Kopie von Buff Bagwell, macht aber dennoch eine gute Figur – und hey, wenn eine Kopie nun mal funktioniert, was spricht dann dagegen? Und in meinen Augen funktioniert Conway mit diesem Gimmick sogar sehr gut. Um einen Heel glaubhaft aufzubauen bedarf es neben einem guten Heel-Gimmick aber auch starker Face-Gegner. Zunächst also verfeinerte man Buff Bagwell mit einem Hauch Randy-Orton-Legend-Killer und ließ Conway gegen diverse Legenden antreten. Eine schöne Sache, denn so bekamen wir Namen wie Doink, Greg Valentine und Koko mal wieder zu sehen. Man brachte nun aber eben auch Eugene ins Spiel. Ein anfänglich sehr beliebter Charakter, für den alle voll des Lobes waren, der aber schon seit Monaten keinen Fan mehr zieht. Eugene machte den Save für Doink und eine Fehde war geboren. Mit Conway fing alles an – er war damals Eugenes Debut-Gegner und verlor. Darauf baute man aber nicht auf, sondern einzig und allein darauf, dass Eugene Legenden toll findet. Das gute an der Story war, dass wir die besagten Legenden wieder sahen. Außerdem hatten Snuka, Duggan und Kamala einen PPV-Auftritt, was mich auch sehr gefreut hat. Gebracht hat diese ganze Geschichte aber niemandem was – außer 10 Minuten beim Taboo Tuesday, die man nicht anderweitig füllen musste. Blödsinniger Weise wurde die Fehde nach einem Start bei RAW komplett bei Heat aufgebaut – außerdem ergänzte man das Handicap Match vom Taboo Tuesday vollkommen unbegründet durch Tyson Tomko – also eine weitere Egal-Figur. Conway hat diese ganze Geschichte in keinster Weise weitergeholfen. Ziel verfehlt. Einfach schlecht.

Die Benoit gegen Booker Fehde war das Einzige reine Smackdown-Produkt, dass uns bei den Series geboten wurde – und wenn man ehrlich ist, viel mehr gab es dann auch nicht. Eddie gegen Batista wusste gut zu unterhalten und war mal was anderes. Der Taker war bis kurz vor Ende nicht präsent und viel mehr Storylines gab es dann einfach nicht. Es muss was passieren. Ohne Eddie, Christian und bald vielleicht sogar ohne Benoit steht eine schwarze schwarze Zeit bevor. Den Punkt muss ich an RAW geben, aber ich wünsche Smackdown, dass sie es schaffen, aufzustehen.

Beste Gimmicks
1. Randy Orton
2. Teddy Long
3. Kurt Angle

Über das Ende von Randys Face-Zeit brauche ich hier wohl keine Worte verlieren. Dann das kurze Heel-Comeback und das WM-Match gegen den Taker. Der Mythos Randy Orton war zerstört. Einst gefeiert für seine Qualitäten, vom Publikum gehasst und gleichzeitig geliebt und auf einmal vollkommen uninteressant.
Dann die Lottery und das Comeback bei Smackdown. Anfänglich interessierte mich Randy immer noch nicht die Bohne, vielleicht aus dem Grund, dass die Demontage einfach noch zu frisch war. In den letzten Wochen, in der Zeit nach dem Summerslam avancierte Orton aber wieder zu einer der wichtigsten Gestalten im Smackdown-Roster. Ein Phänomen, da in genau diesem Zeitraum sein Fehdengegner, der Undertaker, in keinster Weise präsent war. Randy hat nun endlich wieder eine Position inne, in der man alles mit ihm anfangen kann, was man mit ihm anfangen möchte. Die Story um ihn und den Taker kann weitergehen – und dann spricht nichts mehr dagegen, dass Batista der nächste sein wird, der Orton empfängt. Wie genau man dies anstellte, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel – aber man hat es geschafft, zumindest bei mir. Greatness is back.

Als Teddy Long als neuer General Manager von Smackdown vorgestellt wurde, ging ein gähnendes „Wayne“ durch die Ränge, was sich auch viele weitere Wochen fortsetzte. Spätestens mit der RAW v Smackdown Fehde ist Long allerdings ein absolut würdiger Kopf des Rosters und für mich aus der Show gar nicht mehr wegzudenken. Absolut furchtlos stellte man ihn gegen Eric Bischoff die komplette Fehde hinweg dar und krönte das Ganze am Ende mit einem Doppelsieg nicht nur beim Taboo Tuesday, sondern auch bei den Survivor Series. Es macht für einen Moment doch wirklich den Anschein, als möchte man die Fehde dazu nutzen, Smackdown aus dem Schatten von RAW zu hieven. Bei genauer Überlegung scheint es aber wieder einmal nur die Vorbereitung eines letzten Endes unausweichlichen Sieges von RAW vorzubereiten.
Und dennoch sehe ich unter Teddy Long eine gute Chance für eine Zukunft bei Smackdown. Man ist aktuell dabei, wieder eine glaubhafte Tag Team Division aufzubauen. Zwar werden No.1-Contender immer noch durch Quali-Matches und nicht durch Fehden entschieden, aber mein scheint trotzdem auf einem guten Weg zu sein. Außerdem bieten die Neulinge wie Lashley, Kennedy, Mexicools, Burchill und jüngst der Boogeyman viele Möglichkeiten für die Zukunft. Allen vorweg der nun endgültig glaubhafte GM. Smackdown kann kommen.

Ich bin mehr als begeistert über das Standig, das Gimmick, das Auftreten, einfach über die gesamte Präsentation von Kurt Angle in den letzten Monaten. Schon weiter oben betonte ich, was mir daran so sehr gefällt. Und dennoch fällt er von der Pole Position auf den dritten Rang, weil eine Demontage wie die bei der Survivor Series dem kompletten Konzept und darüber hinaus dem gesunden Menschenverstand schlichtweg widersprechen.
Man hat in der momentanen Situation die einmalige Chance, mit einem übermächtigen Kurt Angle als Champion in die nächste WrestleMania zu gehen und ignoriert dieses auf eine derart dreiste Art und Weise, dass es schon weh tut. Die letzten Hoffnungen setzte ich nun auf die Elimination Chamber, wenn denn die Gerüchte, dass es bei NYR erneut dazu kommen wird, richtig sind. Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Angle MUSS Champion werden und Cena MUSS den Titel verlieren. Nichts gibt McMahon in der momentanen Situation, beim momentanen Standing seiner Wrestler Berechtigung, Cena weiterhin an der Spitze als Übermenschen zu zelebrieren. Mögen ihm die Series die Augen geöffnet haben. Aber wer daran glaubt, kann wohl genauso gut auf ein Full-Time-Comeback des Ultimate Warrior hoffen.

Schlechteste Gimmicks
1. Linda McMahon
2. John Cena
3. Eugene

Was man beim RAW nach der Homecoming-Show mit Linda McMahon veranstaltete war das wohl dämlichste, was man in diesem Jahr bei WWE auf die Bildschirme brachte. Linda war immer die Wild-Card. Sie war immer die letzte Instanz, die noch über Vince stand und klare, faire Entscheidungen traf. Die letzte Hoffnung eines jeden Marks, dass das Gute am Ende doch gewinnt.
Dieses alles ist nun kaputt. Der letzte vollständig glaubhafte Charakter der McMahon-Familie ist zerstört und ein Wiederaufbau wird viel Arbeit erfordern.

Ebenso zerstört ist in meinen Augen der Charakter John Cena in seiner Rolle als WWE Champion. Einzig die Tatsache, das McMahon noch vollständig hinter ihm zu stehen scheint, lässt ihn wohl weiterhin Champion sein – dass das Publikum etwas anderes wünscht, ist nun wirklich nicht mehr zu überhören. Seit Cena Face ist, hat er sich nicht entscheidend weiterentwickelt. Wir sehen heute denselben John Cena, der sich bei WrestleMania 20 den US-Title geholt hat. Ein Shawn Michaels oder ein Undertaker können sich das erlauben, sie haben es sich über Jahre erarbeitet, dass sie einfach eine bestimmte Rolle spielen. Ein Cena ist nicht soweit. Selbst ein Rock musste sich verändern, um interessant zu bleiben, selbst ein Austin turnte Heel und sang Lieder. Mit John Cena muss zwangsläufig etwas passieren. Wenn man mich fragt, sollte man damit anfangen, dass er den Titel verliert.

Würde man folgerichtig mit böser Zunge behaupten, Cena’s Zeit in dieser Rolle sei einfach vorbei, dann kommt man nicht drum herum, selbiges über den Eugene-Charakter zu sagen. Es gab Zeiten, in denen drehte sich alles um Eugene, er war in aller Munde und bestimmte das Geschehen in nahezu jeder aktuellen Storyline. Wie es im Leben aber nun mal läuft – alles hat ein Ende! So auch Nick Dinsmore’s Run als Eugene. Für alle Beteiligten scheint es das Beste zu sein, das Gimmick nun fallen zu lassen. Auch wenn die aktuellen Umstände nicht die schönsten sind, sollte man dieses als Chance nutzen, Eugene verschwinden zu lassen und der Wrestlingwelt jemanden neues zu präsentieren, nämlich Nick Dinsmore, einen der talentiertesten technischen Wrestler aktuell.

Die Namen sprechen bei der Vergabe des Punktes für sich. Dass Flair, HHH, HBK und Angle rulen – ja, mein Gott, das ist nun mal so. Die bessere Aufbauarbeit und die höhere Kreativität sieht man momentan allerdings bei Smackdown. Daher der Punkt an die Herren zwischen den blauen Seilen.

Wrestler des Monats
1. Eddie Guerrero
2. Triple H
3. Randy Orton

Ursprünglich hatte ich geplant, Eddie komplett aus dieser Ausgabe auszuklammern. Nicht aus mangelndem Respekt sondern einfach um weiterzumachen. Sieht man allerdings eine Kategorie vor sich, die da heißt „Wrestler des Monats“ und versteht dieses als eine Kategorie, in der jemand gewürdigt wird, der das Geschehen beherrscht hat wie kein Zweiter, dann darf hier einfach niemand anderes an erster Position stehen als Eddie Guerrero. Seit über sechs Jahren hat die Nachricht des Todes eines Wrestlingstars nicht mehr so sehr eingeschlagen wie diese – seit geraumer Zeit spürte man diesen Moment der gemeinsamen uneingeschränkten Trauer auf vielen internationalen Wrestlingseiten und in den Hallen bei Wrestlingshows nicht mehr so intensiv wie in den letzten drei Wochen. Und das aufgrund des Todes eines Mannes, den kaum einer von uns persönlich kannte, der kaum einem als Mensch bekannt war, sondern nur als eben der Charakter, der er laut Stript aktuell sein sollte. Die Welt ist ein Arschloch und wir leben darin. Eddie Guerrero hat sich nicht durch eine Aktion, nicht durch einen Moment unsterblich gemacht – Eddie Guerrero ist unsterblich, weil er getan hat, worauf auch sein Wrestling-Gimmick basierte: er hat gestohlen – die Herzen von Millionen Menschen auf der ganzen Welt.

In welcher Art und Weise Triple H bei WWE sein Comeback feiern wird, dürfte wohl jedem klar gewesen sein, nachdem Ric Flair vor ihm bei RAW zurückkehrte. Flair, der wiederkehrende Face mit seinem unglaublichen Entertainment-Talent – und auf der anderen Seite der Triple H, der er so gut wie immer war. Böse, rücksichtslos, zerstörerisch. Doch auf einmal wendet sich das Blatt. Für seine übertriebene Dominanz und die Tatsache, dass er auch Backstage enormen Einfluss hat und Entscheidungen trifft, haben viele Triple H gehasst – und zwar nicht seinen On-Air-Charakter sondern den Menschen, der diesen spielt. Der ein so großes Ego hat, dass er sich selbst zum 10-fachen Champion bookt und sich niemals für andere hinlegt und seinen Status dazu nutzt, junge Männer zu fördern. Auf einmal, straft HHH aber alle Lügen – er jobbt für Benjamin – er verliert drei PPV-Main-Events in Folge gegen Batista und tritt nun auf einmal in einer Non-Title Fehde in der Midcard eines Big-PPVs auf, bei einem anderen PPV tritt er um den Intercontinental-Championship an! Nicht allein die Tatsache, dass Triple H momentan unheimlich gut ist, lässt ihn auf dieser Position in dieser Liste stehen, sonder auch die Tatsache, dass es ihm das Publikum dankt. Triple H ist nun das, was er am besten kann und das, als was ich persönlich ihn sehen möchte: Er ist ein Heel. Kein Mann, den alle hassen und der daher einen Bösewicht spielt, sondern einfach ein Heel. Eine Bitte von mir persönlich an Hunter Hearst Helmsley: Wenn es Angle nicht tut, dann tritt du bitte Cena gewaltig in den Hintern und hol den Titel!

Schon weiter oben habe ich betont, dass Randy Orton wieder da ist und endlich wieder weiß zu unterhalten. Aber nicht nur, dass sich sein Charakter wieder unheimlich entwickelt hat, auch in den Shows wird er wieder als ganz große Nummer dargestellt. Eine ganze Zeit lang brachte man Orton nur mit dem Undertaker in Verbindung, er hatte keine weiteren Aktien in irgendeiner Geschichte und somit neben der Taker-Story keine größere Bedeutung bei Smackdown. Jetzt aber setzt man ihn in unvorbereitete World-Title-Matches und es funktioniert. Man nimmt ihn als Herausforderer an, auch ohne eine 3-monatige Fehde gegen Batista im Vorfeld. Auch wenn die Umstände tragisch waren, wird er Teil des Smackdown Teams und innerhalb einer Woche entwickelt er sich zum Keyplayer des Teams – wie in den letzten beiden Jahren auch, ist er außerdem der letzte Survivor seines Teams und Sieger des Main Events eines der 4 Big-PPVs, womit er sich in diesem Jahr nebst Namen wie Batista und Hulk Hogan einreiht. Aufgrund dieser ganzen Aspekte nähert sich für mich der Höhepunkt der nun schon ewig andauernden Undertaker-Orton Fehde und ich bin gespannt, was noch alles passieren wird.

Es ist nicht schwierig zu sagen, welches Roster denn nun wirklich das Stärkere ist. Smackdown wirkte schwächer, selbst mit einem Eddie Guerrero, einem Christian und einem voll einsatzfähigen Batista. SD hat viele derbe Rückschläge erhalten und mit dem auslaufenden Vertrag von Chris Benoit und einem verletzten Word Champion kündigt es sich an, dass es nicht zwangsläufig bergauf gehen muss. Es ist Potential da und ich freue mich auf den Tag, an dem ich es hier honorieren darf. Bis dahin muss ich den Punkt eindeutig an RAW geben.

Matches und PPV-Tops
1. HHH v Flair /Survivor Series
2. Hardy/Mysterio v Snitsky/Masters /Taboo Tuesday
3. HHH v Flair /Taboo Tuesday

Ric Flair ist 56 Jahre alt, ein Alter in dem Männer in Bürojobs schon in Altersteilzeit oder gar Vorruhestand gehen. Ric Flair lässt sich in diesem Alter mit Schraubenziehern, Stahltreppen und Vorschlaghammern bearbeiten und schneidet sich nur für den Showeffekt in regelmäßigen Abständen klaffende Wunden in seine Stirn. Dazu kommt ein Triple H in – mir kommt es fast so vor – der Form seines Lebens. Zusammen ist den beiden etwas bei der Survivor Series gelungen, was in vergangenen Tagen bei WWE arg vermissen lässt. Nicht nur, dass man ein hervorragendes Match abgeliefert hat – man hat in diesem Kampf eine Geschichte erzählt. Den Kommentatoren war anzumerken, wie sehr sie es genossen, dieses Meisterstück des Sports-Entertainment zu kommentieren. Mein persönliches Highlight, war der Spruch von Joey Styles, nachdem man Flair schon das ganze Match über mit Babe Ruth verglichen hatte: „Babe Ruth just hit his last homerun!“ – als er seinen Arm in HHH’s Weichteile rammte und dieser in sich zusammensackte. Selten war ein Non-Title Match spannender und besser erzählt als dieser Kampf und daher ist dieser Fight meine eindeutige Nummer 1.


Gefolgt von einem Match, dass hier auf dieser Position wohl nicht viele erwartet hätten. Auch auf die Gefahr hin, dafür verspottet zu werden, habe ich mich trotzdem dazu entschieden, es hier zu bringen. Sehr lange war ich nämlich nicht mehr so von einem Kampf überrascht wie vom Aufeinandertreffen von Rey Mysterio und Matt Hardy gegen Snitsky und Chris Masters beim Taboo Tuesday. Es mag einige wrestlerisch anspruchsvollere Matches gegeben haben – aber eben diese Überraschung über die Klasse des Matches lässt es hier erscheinen. Hauptverantwortliche dafür waren natürlich Matt Hardy und Rey Mysterio, die erstklassig harmonierten und Tag-Team-Aktionen in Perfektion zeigten. Als Opener des Taboo Tuesday boten die vier Kontrahenten den perfekten Anheizer für eine insgesamt doch recht gute Show und wenn mich jemand fragt, was mein Tag-Team-Match des Jahres war – dann nenne ich dieses hier. Ein Glanzstück in einer Liga, in der man von Tag-Team-Action eigentlich gar nichts wissen will. Toll.

Hab extra noch mal in meine Unterlagen geschaut. Dieses ist aber tatsächlich das erste Mal in der über zweijährigen Geschichte meiner Kolumne, dass dieselbe Matchpaarung zwei Mal in dieser Liste auftaucht. Wüsste ich nicht, um welche Paarung es geht und hätte nur diesen einleitenden Satz gelesen, würde ich hier Namen wir Kurt Angle, Chris Benoit, Shawn Michaels oder Chris Jericho erwarten. Aber nein, hier stehen erneut zwei Männer, deren Durchschnittsalter 46 Jahre beträgt. In Summe 26 ehemalige World Champions, die beim Taboo Tuesday nach Wunsch des Publikums in einem Stahlkäfig gegeneinander wrestleten – und zwar um den Intercontinental Championtitel. Ganz großes Entertainment und das erste Mal, an das ich mich erinnere, dass ein Wrestler bei einem Käfigmatch ohne Eingriff von Außen den Sieg einfährt, indem er den Käfig durch die Tür verlässt. Ganz großes Entertainment!

Smackdown hat irgendwie zu wenig stattgefunden. Zu wenig bedeutende Fehden – natürlich mitbegründet durch den Mangel an Topstars – und somit wenig wirklich eindrucksvolle Auftritte. Die tatsächlich guten Dinger, wie bspw. Mysterio gegen Michaels oder das genannte Tag-Match waren interpromotional. RAW hat es daher gemacht und diesen Punkt nicht zuletzt ihren beiden Altmeistern zu verdanken.

Das Überflüssigste zum Schluss
1. Übermacht der Opas
2. John Cena 4 ever
3. Vader / Goldust

Zwar klingt das Wort „Almeister“ im letzten Satz sehr euphorisch, wir reden hier aber über eine Fehde zwischen zwei Altmeistern, die weder im Main Event steht, noch zu viel Airtime verbraucht. Was aber wirklich nervt (und das sage ich als bekennender HBK-Fan) ist die „Übermacht der Opas“. In einem Match bei den Survivor Series, in dem Männer wir Chris Masters, Carlito oder Lashley stehen, lässt man Shawn Michaels den großen Wurf landen, obwohl er zuvor eine Viertelstunde regungslos und K.O. am Boden lag. Man lässt den Undertaker das komplette Roster zerstören, anstatt einen zelebrierenden Orton als Übermacht am Ende des PPV darzustellen. So überwindet man keine Krise – so baut man keine neuen Stars auf.

Nachdem ich mich mehr und mehr vom Cena-Bashing distanziert habe, feiere ich mit dieser Ausgabe meiner Kolumne mein Comeback in der Brain-Gang. In der Gang, die soviel Gehirn besitzt, um zu sehen und zu begreifen, dass der erste Titelrun von John Cena einfach ein Ende finden muss. In der Gang, die so weit denkt, dass Sprechchöre in jeder Halle, in der WWE auftritt irgendeine Bewandtnis haben müssen, irgendetwas dahinter stecken muss. The Champ is here – immer noch. Es reicht.

Nichts war überflüssiger, nichts war dümmer, nichts war beschämender als die CRAP-Story. Allen voran, der jämmerliche Versuch durch ein Ad-Hoc-Comeback von Goldust und Vader noch einen Funken Spannung in eine total verkorkste Storyline zu bekommen. Ich habe weder etwas gegen Vader noch gegen Goldust – was man hier mit ihnen gemacht hat, war aber Knete.

Unterm Strich

Spricht man von Lichtblicken, so darf man wohl weder die Survivor Series noch die lang vorausgesehene Smackdown-vs-Raw-Fehde nennen. Ebenso wenig kann man die aktuellen Champions nennen, einzig Namen wie Flair, Triple H oder Randy Orton fallen wirklich ins Gewicht. Klammert man nun wirklich die komplette Tragik aus dem November aus – dann erhält man immer noch keinen auch nur im Ansatz guten WWE-Monat.

Nach Showpunkten geht der November 3 : 1 an Raw.

Etwas wie der Tod von Eddie Guerrero wirft weite Schatten und den Nachgeschmack werden wir noch lange spüren. Smackdown braucht Starpower, RAW einen neuen Champion und WWE braucht Ideen. Uns steht mit Armageddon ein weiterer Smackdown-PPV bevor, der wohl durch den Undertaker geheadlinet werden wird. Schon prophezeie ich eine unterirdische Buyrate und erwarte spätestens zur New Years Revolution einen Neuanfang.

Möge man mich Lügen strafen. Habt einen schönen Dezember, schöne Feiertage und natürlich eine gute Zeit,

Bis denn,

Euer Ben